Gehen wir strukturiert vor und klären wir zu Beginn, was ein Schneeballsystem ist bzw. sein könnte.
Vom Namen her könnte man vermuten, dass es sich um Schneebälle handele, die in einem System zirkulierten – ähnlich dem Geldsystem oder dem internationalen Währungssystem.
Wikipedia verrät zum Begriff Schneeballsystem:
“Als Schneeballsystem oder Pyramidensystem werden Geschäftsmodelle bezeichnet, die zum Funktionieren eine ständig wachsende Anzahl an Teilnehmern benötigen, analog einem den Hang hinab rollenden und dabei stetig anwachsenden Schneeball.
Gewinne entstehen fast ausschließlich dadurch, dass neue Teilnehmer im System mitwirken, eigenes Kapital einbringen oder erwirtschaften. Mitunter gibt es gar kein oder nur ein überteuertes Produkt, sodass ein Betrugsdelikt vorliegt.”
Mir gefällt der Begriff Pyramidensystem besser. Schneeballsystem, Geldsystem, Heizungsystem, Ökosystem erinnert mich immer an einen geschlossenen Kreislauf. Beim Pyramidensystem ist aufgrund der impliziten Dreiecks- bzw. Trichterform schneller klar, dass sich hier irgendetwas stark verbreitert oder wenn man anders herum schaut verjüngt, im Sinne von konzentriert.
Pyramidensysteme finden sich überall.
Ebenso wie Unternehmen kann man jeden Staat als ein Pyramidensystem ansehen. Hier eine sehr vereinfachte Darstellung:
Im angelsächsischen Raum ist der Begriff Ponzi-Schema geläufig. Charles Ponzi vollbrachte in den USA in den 1920er Jahren innerhalb von rund sechs Monaten nach heutigem Wert etwa 150 Mio. US-$ einzusammeln. Den Anlegern wurden traumhafte Renditen mittels Scheininvestitionen vorgegaukelt. Zur Begründung verwies er auf sein besonderes Geschäftsmodell.
Er begann mit dem Finanzjongleur Bernard Madoff, welcher von Anlegern Geld einsammelte und zuverlässig eine hohe Rendite auszahlte. Was an Anlageerlös fehlte, nahm er aus dem Bestand der ihm anvertrauten Mittel. Aufgrund der zuverlässig hohen Auszahlungen flossen ihm immer mehr Dollars zu, so dass er sein Geschäftsmodell viele Jahre aufrecht erhalten konnte.
Häring schrieb weiter, dass wer heute eine Banklizenz besitze, das Gleiche tun könne. Schließlich kam Häring zu der Schlussfolgerung: “Man kann also das Bankensystem als ein staatlich genehmigtes und reguliertes Schneeballsystem bezeichnen. Anders als bei Madoff stehen Steuerzahler und Zentralbanken bereit, Geld nachzuschießen, wenn die Einleger die Probe aufs Exempel machen und ihr Geld abziehen.”
Dieses Geld-Abziehen wird gemeinhin als Bankenrun bezeichnet. Davor soll bekanntlich die Bargeldabschaffung schützen, da es dann nichts mehr zum Abheben gibt, sondern Geld nur noch in seiner virtuellen Form, als Giralgeld existiert.
Heute ist Giralgeld noch ein Anrecht auf Bargeld. Bargeld ist das einzige Zentralbankgeld, über welches der gemeine Bürger verfügen könnte, sofern es in ausreichender Menge zur Verfügung stünde. Lt. einem Focus-Artikel gibt es für jeden EU-Bürger nur 3.341,62 € Bargeld. Ferner wird vermutet, dass sich ein Drittel des Bargelds außerhalb des Euroraumes befindet.
Auf Wikipedia wird zudem über den Ökonomen Laurence Kotlikoff von der Boston University berichtet. Er bezeichnete im April 2011 die Altersversorgung in den westlichen Industriestaaten als Schneeballsystem.
Interessanter Weise verbietet der deutsche Staat einerseits derartige Systeme per § 16 Abs. 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb), aber andererseits deklariert er die dadurch entstandenen Gewinne gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG als steuerpflichtig.
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die Grenze zwischen Pyramidensystem und KEINEM Schneeballsystem fließend sind. Ein klare Einordnung ist manchmal nicht einfach, vor allem zur Aufrechterhaltung des Systems das Einbringen von Geld erforderlich ist.
Richten wir also unseren Blick auf Bitcoin als Kryptowährung.
Wenn Bitcoin (BTC) als Zahlungsmittel innerhalb einer begrenzten Anzahl von Konsumenten und Händlern genutzt wird - ähnlich einer Regional- oder gar Nationalwährung, brauchen keine neuen Leute ins Währungssystem eintreten, schon gar nicht um ein Vielfaches mehr.
Jede Währung hat einen Währungsraum und eine begrenzte Anzahl von Nutzern. Staatliche Währungen erzwingen politisch die Nutzung der zu Grunde liegenden Währung im Währungsraum, der oft dem Staatsgebiet entspricht. Daher die Bezeichnung gesetzliches Zahlungsmittel.
Bitcoin ist hingegen freiwillig beim Grad seiner Nutzung oder Nichtnutzung. Seinen Währungsraum legen die Teilnehmer durch ihre Nutzung fest. Im Prinzip ist es nach Gold (und Silber) die erste weltweite Währung.
Bitcoin hat ähnlich einer Nationalwährung einen Währungsraum. Jeder, der BTC nicht akzeptiert, gehört diesem Währungsraum nicht an. Sein Währungsraum hört nicht an einer nationalen Grenze auf. Er ist weltweit, hat aber viele Lücken und viele weiße Flecken.
Richtig: Neue Teilnehmer am Bitcoin-System kaufen alten Teilnehmern BTC ab. Das ist jedoch bei Gold, aber auch bei Immobilien, Aktien, Euro, Dollar und anderen Währungen ebenfalls so. In diesem Fall ist das kein Schneeballsystem, sondern ein Netzwerkeffekt.
Das Bitcoinsystem funktioniert auch ganz gut ohne neue Leute. Wie Systeme, die einen Nutzen haben, sich entwickeln, wenn immer mehr neue Leute hineinströmen, das erklären wir in einem späteren Teil: Ist Bitcoin eine Innovation?
Das Produkt ist eigentlich ein Dualismus – von Geld und Zahlungssystem:
Bitcoin ist also nicht nur Geld ähnlich Euro/Dollar, sondern ein elektronisches Zahlungssystem ähnlich SWIFT, VISA oder Paypal. Im Grunde ist es viel mehr als nur eine bloße Kombination. Doch dazu später.
Bitcoin kann einfacher als Gold den Besitzer wechseln und daher zum Bezahlen genutzt werden. Allerdings bietet Bitcoin nicht den gleichen Grad an Privatsphäre wie Gold. Man kann Gold anfassen, Bitcoin nicht. Für letzteres gibt es Souvenirmünzen, deren intrinsischer Wert den eines digitalen Bitcoin übersteigt. Der Handelswert der haptischen Bitcoin ist jedoch weit unter dem Handelswert der digitalen.
Denn Geld ist und bleibt Glaubenssache.
Die haptischen Bitcoin können beliebig vermehrt (produziert) werden, die digitalen Bitcoin nicht. Mehr dazu in einem späteren Artikel: „Was macht Bitcoin wertvoll?“
Erwähnt werden muss, dass es andere Kryptowährungen gibt, die einiges besser als Bitcoin können. Es gibt Kryptowährungen, die sich für schnelle und günstigere Überweisungen eignen. Es gibt Kryptowährungen, die die Privatsphäre besser als Bitcoin schützen können.
Bitcoin ist das erste digitale Geld einer neuen Art, welches nur einmal ausgegeben werden kann.
So wie ein Schneeball einen Hang hinunterrollt, so werden Bitcoin & Co. die Bereiche verändern, in denen sie tätig sind. Aber ein Schneeballsystem sind sie nicht!
(ta)
Zweite Meinung gefällig?
https://de.bitcoin.it/wiki/Mythen#Es_ist_ein_Schneeballsystem